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Lust am Wagnis und Freude am Erfolg

IM GESPRÄCH MIT JÜRGEN HEINDL

Novemebr 2022

Dank einer langfristigen und nachhaltigen Wachstumsstrategie ist es Progroup gelungen, in nur 30 Jahren zu einem der Marktführer in Zentraleuropa in ihrem Segment zu werden. Kurz vor dem Generationenwechsel verrät Gründer und Vorstandsvorsitzender Jürgen Heindl, wie sich das Unternehmen in einem hart umkämpften Geschäftsfeld wie der Papier- und Wellpappherstellung künftig aufstellt und was er seinem Sohn Maximilian mit auf den Weg gibt.

 

 

Das Thema Wachstum ist eine der großen Konstanten in der Unternehmensgeschichte von Progroup. Warum ist das so?
JÜRGEN HEINDL: Als ich das Unternehmen vor 30 Jahren gründete, habe ich mir die Frage gestellt, was ich anders machen kann, um für meine Kunden das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Mir war klar, in einem Commodity-Markt wie dem unseren muss ein Unternehmen unter den Top 5 sein, sonst ist es nicht profitabel. Nur wenn ich Marktführer bin, habe ich den Handlungsspielraum, den Markt zu gestalten und zu begleiten. Daher habe ich die Marktführerschaft in einem bestimmten Segment angestrebt. In unserem Fall ist das die Formatlieferung. Wir bedienen überwiegend familiengeführte Verpackungshersteller, die über keine eigene Wellpapperzeugung verfügen, nachhaltig, just in time auch mit Kleinstauflagen.

 

Wann ist für Progroup das Wachstumsziel Marktführerschaft in einem Land erreicht?
Da wir natürlich nicht global Marktführer sein können, habe ich mich auf die Region Zentraleuropa beschränkt. Marktführerschaft definieren wir ab einem Marktanteil von mindestens 40 Prozent in unserem Segment. In Deutschland haben wir rund 66 Prozent Marktanteil, hier gibt es vielleicht noch zwei relevante Mitstreiter. Anders in Italien, dort haben wir rund 8 Prozent Marktanteil und rund 20 Marktbegleiter. Genau diese Diffusion und auch Sortenvielfalt des Marktes führen zu einem nicht konstanten Qualitätsniveau und zu schlechten Erlösen. Das ist weder gut für uns noch für die Kunden und wiederum deren Kunden. Dieser Logik folgen unsere konsequenten Investitionen in Märkte, in denen wir noch nicht Marktführer sind.

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um eine stringente Wachstumsstrategie umzusetzen?
Die ganze Strategie baut darauf auf, dass wir uns in einem stabilen Markt bewegen. Das Produkt Wellpappe wird jeden Tag gebraucht, sonst würde unsere Volkswirtschaft nicht funktionieren. Ohne Wellpappe keine Verpackung, ohne Verpackung keine Lieferketten, ohne Lieferketten keine stabile Wirtschaft. Nur in solch einem stabilen Markt kann man MilliardenInvestitionen in Papier-, Energie- und Wellpapperzeugung vornehmen. Dafür muss eine Organisation schnell und vor allem profitabel wachsen, sonst kann sie das Wachstum nicht finanzieren. Wir sind von Anfang an jedes Jahr im Durchschnitt 14 Prozent gewachsen, was weit über dem Wachstum des Markts liegt.

 

Das Jahr 2022 ist unter anderem mit Blick auf den Energiemarkt herausfordernd. Wie gehen Sie damit um?
Progroup verfolgte schon vor den aktuellen Entwicklungen das Ziel, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen immer weiter zu reduzieren. Neben dem Bemühen um Bau und Betrieb möglichst energieeffizienter Anlagen haben wir zum Beispiel bei unserer Papierfabrik in Eisenhüttenstadt durch das dortige Heizkraftwerk bereits eine erdgasunabhängige Produktion erreicht. An unserer Papierfabrik in Sandersdorf-Brehna gewinnen wir mit unserer Kreislaufwasserbehandlungsanlage Biogas, das bereits jetzt zehn Prozent des dortigen Energiebedarfs deckt. Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig eine von fossilen Brennstoffen unabhängige Energieversorgung ist. Deshalb planen wir auch an unserem Standort in Sandersdorf-Brehna, ein Heizkraftwerk zu errichten.

 

Um eine derart rasante Wachstumsstrategie umzusetzen, müssen viele richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden. Sie tragen eine große Verantwortung, das Wohl der Firma, der Mitarbeiter und der Familie hängt sehr stark von Ihnen ab. Trotzdem wirken Sie sehr ruhig und gelassen. Können Sie immer gut schlafen?
Zum Glück konnte ich immer gut schlafen. Eine gewisse Ruhe liegt ja auch darin, dass ich vorher immer sehr gründlich überlege, was ich machen will. Gerät das Unternehmen trotzdem in unruhiges Fahrwasser, dann muss der Vorstandsvorsitzende wie der Kapitän auf der Brücke sein, der selbstbewusst und verantwortungsvoll durch diese schwierige Situation navigiert. In solchen Phasen ist es immens wichtig, kein Vertrauen bei Kunden und Mitarbeitern zu verspielen, sondern das Schiff durch den Sturm zu bringen.

Viele Unternehmer scheitern an dieser Aufgabe. Sie dagegen schreiben immer weiter an der Erfolgsgeschichte von Progroup. Welchen Ratschlag geben Sie Unternehmern, die heute am Anfang ihrer Reise stehen?
Wer ein Unternehmen gründet, sollte eine Vision haben, was er machen und erreichen will. Daraus leitet sich die Strategie ab. Um diese Strategie zu entwickeln und später erfolgreich umzusetzen, benötigen Sie als Erstes die Klugheit, den Markt richtig einzuschätzen und die passenden Entscheidungen zu treffen. In unserem Fall war das zum Beispiel die Umsetzung einer strikten Greenfield-Strategie, die konsequente Vernetzung aller Prozesse sowie die zentrale Steuerung des Unternehmens. Sie brauchen außerdem den Willen, heute schon die Technologie von übermorgen in der Organisation einzuführen, auch wenn viele ihnen davon abraten. Dann brauchen sie natürlich den Mut, in einem gesättigten Massenmarkt einen neuen, vielleicht sogar revolutionären Ansatz zu verfolgen. Und sie müssen Begeisterung mitbringen. Mich treiben schon immer Leidenschaft und Neugier an. Ich bin vom Produkt fasziniert, habe Lust am Angriff und Freude am Erfolg.

 

Gibt es einen konkreten Prozess, wie Entscheidungen bei Progroup getroffen werden? Wie hat er sich seit der Unternehmensgründung weiterentwickelt?
In der Gründungs- und Wachstumsphase sind Unternehmer meistens auf sich alleine gestellt. Wie schon erwähnt, habe ich immer sehr lange und gründ­lich über wichtige Themen und Projekte nachgedacht. Erst wenn Kopf und Bauch gleichermaßen „Ja“ gesagt haben, sind wir die Themen angegangen. Heute ist das etwas aufwendiger. Wir führen Gespräche im Management­team, dort challenget man seine Ideen, dann wird mit Operations und mit den Kunden gesprochen. Wenn abschlie­ßend Kopf und Bauch immer noch „Ja“ sagen, dann erstellt man einen Business Case als Vorstandsvorlage und bringt das in den Aufsichtsrat. Natür­lich müssen wir auch an die Investoren denken und sie gut informiert halten.

„Wer ein Unternehmen gründet, sollte eine Vision haben, was er machen und erreichen will.“

Ist es Ihnen schwergefallen, aus der Anfangsphase, in der Sie alles alleine mit sich ausgemacht haben, in die nächste Phase zu wechseln, in der Sie Ihre Ideen zur Diskussion stellen mussten?
Das ist eine interessante Erfahrung, auch im Generationenübergang. Wenn Sie es in einer patriarchalischen Struktur grundsätzlich gewohnt sind, alles selbst zu entscheiden und in die Hand zu nehmen, bedeutet die Arbeit im Team zunächst einmal eine Entschleunigung; aber auch eine Chance zur Selbstreflexion. Ich habe zwar durch mein Wissen und meine Erfahrung über Märkte und das Geschäft immer die Entscheidungshoheit behalten, aber der Prozess läuft jetzt anders. Ich schätze den Input meiner Kollegen und genieße es sehr, in meinem Sohn und Nachfolger einen wertvollen Sparringspartner gefunden zu haben.

 

Ein Blick zurück: Wie viel Prozent Ihrer Entscheidungen waren in den drei Jahrzehnten Ihrer Karriere Ihrer Meinung nach richtig oder falsch?
Ich würde behaupten, über 90 Prozent der großen Entscheidungen waren richtig, sonst hätte sich unser Geschäftsmodell am Markt nicht so nachhaltig bewährt. Das liegt daran, dass ich in der Gründungs- und Aufbauphase zwar große Risiken eingegangen bin, davor aber gut überlegt habe, ob ich diese Risiken eingehen und bewältigen kann. Das war existenziell. Sie müssen wissen, wenn man eine neue Papierfabrik bauen will, dann hat so ein Projekt fünf bis sechs Jahre Vorlauf. Sie können aber nicht wissen, wie der Markt sich in diesem Zeitraum entwickeln wird. In der Grundsatzentscheidung muss man deshalb sicher sein.

 

Kam es schon mal anders als geplant?
Natürlich. Wir haben beispiels­weise 2007 die Papierfabrik PM2 in Eisenhüttenstadt inklusive Heizkraft­werk mit einem Investitionsvolumen von 750 Millionen Euro geplant. Dann kamen die Finanz- und Wirtschafts­krise und danach die Euro-Krise – das waren herausfordernde Zeiten. Ein wahrer Proof für das Geschäftsmo­dell. Wir haben viel gelernt damals, weil wir optimieren mussten. Das hat unser Unternehmen insgesamt gestärkt. Insofern hat die Krise uns dazu herausgefordert, bestehende Strukturen zu überdenken. Davon haben wir im Nachhinein profitiert.

„Wichtig ist, dass man im Moment ist und seine volle Auf­merksamkeit immer genau der Aktivität widmet, die gerade im Mittelpunkt steht.“

Sie ziehen sich bald aus der opera­tiven Unternehmensführung zurück. Welche Schwerpunkte sollten von Ihrem Nachfolger – Ihrem Sohn – gesetzt werden?
Wir haben immer eine rollierende Zehnjahresplanung. Wir wissen also heute schon genau, was wir 2030 tun werden. Das folgt einer strategischen Logik. Wir investieren nicht oppor­tunistisch. Letztes Jahr, als unsere Branche durch Corona geboomt hat, haben alle aus Reflex in Kapazitäts­erweiterungen investiert. Wir gehen dagegen sehr strategisch vor. Für die Nachfolgergeneration ist es unglaub­lich spannend und herausfordernd zugleich, die Führung eines Unterneh­mens zu übernehmen, das viele Jahre lang von der Elterngeneration geleitet und vor allem geprägt wurde. Es ist immer ein Balanceakt, Altbewährtes zu bewahren und gleichzeitig Neues zu wagen. Ich bin überzeugt davon, dass es meinem Sohn innerhalb unserer Strategie sehr gut gelingen wird, seinen Weg zu gehen und die Erfolgsgeschichte mit der eigenen Handschrift und persönlichen Schwer­punkten weiterzuschreiben.

 

Welche Ratschläge geben Sie Ihrem Sohn Maximilian, wie er aus unter­nehmerischer und privater Sicht mit Herausforderungen umgehen kann?
An allererster Stelle natürlich, auf die eigene Gesundheit und die Familie zu achten. Aber auch, sich selbst treu zu bleiben. Das, was man tut, sollte immer aus vollem Herzen und Über­zeugung passieren. Dadurch ist es leichter, Entscheidungen ganzheitlich mitzutragen. Darüber hinaus denke ich, es ist hilfreich, Ausgleich zu finden. Sei es durch Sport, Reisen oder Familienzeit – wichtig ist, dass man dabei im Moment ist und seine volle Aufmerksamkeit immer genau der Aktivität widmet, die gerade im Mit­telpunkt stehen sollte. Dadurch erlebt man die Dinge nicht nur intensiver, sondern sichert auch ihre Qualität. Das gilt übrigens beruflich und privat gleichermaßen.

 

Haben Sie einen persönlichen Zehnjahresplan?
Nach meinem Ausscheiden aus dem operativen Geschäft werde ich mich im Aufsichtsrat weiterhin mit meinem Wissen einbringen. Darüber hinaus führe ich die Holdinggesellschaft. Sie ist der Mehrheitsaktionär von Progroup. Zu ihr gehören weitere, unsere Kunden unterstützende Einheiten, zum Beispiel eine Kundenakademie. Mit ihr schaffen wir eine Plattform für unsere Kunden, die Möglichkeiten zum Austausch zu branchen- und familienunternehmensspezifischen Fragen bietet.

 

Das hört sich nicht nach mehr Freizeit an.
Ich glaube in der Tat, dass ich nicht wesentlich mehr Zeit haben werde als früher. Wir werden vielleicht etwas mehr reisen. Meine Frau und ich wollen uns auf jeden Fall noch mehr Zeit für unsere Enkel nehmen. Die Tochter von Maximilian freut sich schon und sagt immer: „Wenn der Opa aufhört und der Papa Chef wird, dann hat Opa mehr Zeit für mich.“

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